Freitag, 1. März 2013
W., den 1. März
Du hast echt den Überknall, oder? Du glaubst doch tatsächlich, dass du noch mehr für das Haus bekommst. Und das widerspricht sich so unglaublich mit dem, dass du es doch erhalten willst. Soll dich mal einer verstehen.
Ich kann nur sagen, du wirst irgendwann auf der Straße enden, wirst schon sehen. Deine Todsünde ist in jedem Fall Stolz- daran wirst du zugrunde gehen, wenn du dich nicht drehst. Wenn du nicht endlich verstehst, dass du alleine bist auf dieser gottverdammten Erde. Du hast alle und jeden in den Wind geschossen. Du glaubst, dass alle sich gegen dich verschworen haben.
Wo gehst du denn hin, wenn's hart auf hart kommt? Wie ich dich kenne, weisst du noch nicht mal, wie man Sozialhilfe beantragt. Aber klar, du kannst ja noch in deinem bescheuerten Crossfire schlafen. An dem dein Herzchen hängt...Mein Gott, selten so eine gequirlte Scheisse gehört. Gibs auf, Mama- Der Schmuck ist weg. Mann ist weg. Kinder sind weg. Weißt du, dass V. mit ihren 14 Jahren jede Hilfe von dir abgelehnt hat, obwohl jetzt, nach dem Unfall von Papa, sie ihm helfen muss? Sie hilft Papa lieber beim Waschen und kocht selbst, als dass sie dich bei dir hat. Ich muss heulen, wenn ich daran denke. Du dumme Kuh, deine Tochter würde dich so sehr brauchen. Wie kann man nur so egoistisch sein? Wie kannst du sie nur so im Stich lassen? Ein Wunschkind, ein Nachzügler? Dass ich nicht lache.

Kannst du dich noch erinnern, auf Mallorca? Papa hatte gerade die Wohnung gemietet, die S. und ich schon mit dem Nötigsten eingerichtet hatten. Damit wir dort ein Auto hatten, sind Papa und ich mit A.s altem Jeep mit Mecki und V. über Barcelona und Fähre hingefahren. Auf der Fähre dann hatten wir leider keine Kabine. V. und ich sind irgendwann in der Nacht auf einer dieser Sofas eingeschlafen- Papa musste sich noch an der Bar müde trinken. Morgens, als wir dann aufgewacht sind, war Papa nicht wach zu kriegen! Ich hab mich so geärgert, dass er sich so besoffen hatte! V. war damals 8. Ich gerade 20. Völlig überfordert bin ich dann mit Papa unterm Arm und dem Kind und Mecki von Palma aus zur Wohnung gefahren. Ich weiß zwar nicht, wie ich den Weg gefunden habe, aber irgendwann standen wir vor der Tür. Du machtest die Türe auf-Papa habe ich im Auto gelassen, der sollte ruhig sich den Nacken im Auto verrenken für den Mist. Nachdem ich deinen schlechten Atem gerochen hatte, und merkte wie du wanktest, sah ich einen ekelhaften schmierigen Kerl mit faulen Zähnen und rudimentären Gebiss auf unserer schönen Coachgarnitur sitzen. Ich habe dich gefragt, wer das sei. Dein Elektriker? Ich bin sofort hin und hab den Scheisskerl rausgeworfen. So ein Pisser. Ich war so in Rage, der hat kein Gegenwort gesagt.
Dann dachte ich an A. Wo war sie nur? A. war anscheinend am Strand mit einem Typen und hatte gar nicht vor zurück zu kommen und mir zu helfen. Nachdem sie im Streit mit dir, und nachdem der Typ sie anscheinend aufs mieseste beleidigt hatte- ich meine, wie kommt so ein fieser Typ dazu?-hatte sie schon jetzt keine Böcke mehr auf Familienurlaub.
Wo war V.?- Ja, die erstmal ins Bett gesteckt, dich auch. Papa rausgeholt und ins Bett verfrachtet, Mecki versorgt. Versucht, mich ein wenig zu beruhigen. Fast unmöglich.
Nach einiger Zeit ist die Maus dann aufgewacht, und ich dachte mir, wir könnten gleich zu Ike* um noch ein paar fehlende Sachen zu kaufen und auch um einfach WEG zu sein. Ich wusste, dass Papa seine Kohle immer in seiner Gürteltasche aufbewahrte. Doch da war nichts mehr drin. Da war ich aufgeschmissen. Endlich kam dann A. nach Hause- Voll wie Hulle und stantepede ins Bett. Die hatte allerdings Geld, damit sind V. und ich in den Supermarkt nebenan. Ich machte dann Frühstück, und gegen mittag wurden die Geister, die ich rief, dann wach. Papa war noch ganz verwirrt. Aber als ich ihm sagte, ich hätte kein Geld gefunden, wurde er hellwach. Ich fragte ihn, warum er so viel gesoffen hatte, warum er mir das angetan hatte, warum ihm alles scheissegal gewesen war. Er meinte nur, dass er einen Whiskey getrunken hatte, um müde zu werden. Das fand ich komisch, denn das war sein normales Tagespensum. Er machte mir dann klar, dass er davon sich nicht so schlimm ausgestrichen hätte können. Aber er meinte, er wäre mit ein paar dunklen Gestalten an der Theke gewesen. Und hätte dann leichtsinnig das Geld aus seiner Gürteltasche gekramt- da waren mehrere Hunderter drin. Damit hatte er wohl sein eigenes Urteil gesprochen. Die mussten ihm was in den Drink gemischt haben! Ich war so schockiert. 4000 Euro einfach weg! Aber ich wusste nicht, was krasser war. Die besoffene Mutter, die mit einem fremden Typen die Nacht durchgemacht hatte (Obwohl sie wusste, dass wir am Morgen ankommen),der dann A. beleidigt hatte, so dass sie sich betrank und weglief, oder V., die das alles mitbekommen hatte.
Danke! Da hab ich begriffen, dass etwas ganz im Argen liegen musste.
Aber das ist ja nicht die einzige Geschichte.

Du bist echt krank, Mama.

B.
Gustav Klimt

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